Abgeordnete des Bundestags haben in den vergangenen Jahren hundertfach gegen die Transparenzpflichten verstossen. Das belegen Recherchen der Transparenzinitiative abgeordnetenwatch.de auf Grundlage von internen Erhebungen der Parlamentsverwaltung. Die Pflichtverstösse betreffen nicht korrekt gemeldete Nebentätigkeiten und Einkünfte.
Den Zahlen zufolge sind die Verstösse von Abgeordneten gegen die Verhaltensregeln in der vergangenen 19. Legislaturperiode (2017-2021) sprunghaft gestiegen. Insgesamt 388 Mal prüfte der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) einen Pflichtverstoss, in 301 Fällen stellte er einen solchen fest. In früheren Legislaturperioden hatten die Verstösse noch im zweistelligen Bereich gelegen.
„Die starke Zunahme der Pflichtverstösse verwundert nicht“, so Léa Briand, Sprecherin von abgeordnetenwatch.de. „Jahrelang konnten Abgeordnete die Erfahrung machen, dass sie bei nicht korrekt gemeldeten Nebentätigkeiten und Einkünften keine Konsequenzen zu befürchten haben.“
Gestützt wird dies nun erstmals durch die internen Zahlen, die die Parlamentsverwaltung erst nach einer Klage von abgeordnetenwatch.de herausgab. Seit Inkrafttreten der Transparenzvorschriften im Jahr 2005 gab es erst eine Sanktion in Form eines Ordnungsgeldes (20.000 Euro gegen die inzwischen verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz im Jahr 2019). In zehn Fällen wurde ein Pflichtverstoss öffentlich gemacht, was einer öffentlichen Rüge gleichkam. Die allermeisten Fälle hatten dagegen keine spürbaren Konsequenzen. 29 Mal erhielten Abgeordnete eine interne Ermahnung, in 451 Fällen hielten es die damaligen Bundestagspräsidenten für ausreichend, die Abgeordneten auf ihren Pflichtverstoss hinzuweisen.
Briand von abgeordnetenwatch.de: „Wir fordern eine Transparenzkommission als unabhängige Prüfinstanz, die nachforschen darf, wenn Abgeordnete Nebentätigkeiten und -einkünfte nicht korrekt angeben. Ausserdem sollten Sanktionen verschärft und konsequent geahndet werden. Dieser Kontrollprozess darf nicht im Geheimen stattfinden.“
Der Bundestag machte lediglich statistische Angaben zu den Pflichtverstössen, konkrete Namen wurden nicht mitgeteilt.
Im Frühjahr 2021 waren mehrere Verstösse von Abgeordneten gegen die Transparenzpflichten publik geworden. Zahlreiche Politiker:innen hatten öffentlich eingeräumt, dass sie Einkünfte oder Tätigkeiten neben dem Mandat teils mit grosser Verspätung beim Bundestagspräsidenten gemeldet hatten. Darunter befanden sich u.a. die heutigen Bundesminister Annalena Baerbock, Cem Özdemir (beide Die Grünen) und Karl Lauterbach (SPD). Ob die Abgeordneten intern ermahnt wurden, ist nicht bekannt.
Ausführlicher Artikel zur Recherche von abgeordnetenwatch.de „Abgeordnete verstiessen hundertfach gegen Transparenzvorschriften – ohne Konsequenzen“: https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/nebentaetigkeiten/abgeordnete-verstiessen-hundertfach-gegen-transparenzvorschriften-ohne-konsequenzen
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